Barrierefreies Webdesign ein zugängliches und nutzbares Internet gestalten

Das Internet hören und fühlen geschrieben von Niki Slawinski (2005)

Gruppendiskussionen

Die Forschungsfrage ist bei den Gruppendiskussionen dieselbe wie bei den Gruppeninterviews, allerdings unterscheidet sich die Herangehensweise. Die Forschungsmethode und das Gruppendiskussionskonzept, angelehnt an Loos, stelle ich in den ersten Kapiteln vor. Danach gebe ich Zusammenfassungen der drei Gruppendiskussionen in Marburg und analysiere diese und die Forschungsmethode.

Forschungsfrage, Forschungsmethode und Auswahl der Befragten

Ursprünglich hatte ich auch für Marburg Gruppeninterviews geplant. Doch die Erkenntnisse aus Soest verdeutlichen mir die Vorteile, die mir die Methode der Gruppendiskussion bietet. Bei einer Gruppendiskussion gebe ich noch weniger Themen und Fragestellungen vor, so dass ich noch besser erfahren kann, welche Aspekte des Themas Internetnutzung blinde Schüler wirklich beschäftigt. Was sprechen sie von selbst an? Wird das Internet als "Problemzone" oder als "Medium der neuen Möglichkeiten" angesehen? Die grundlegende Einstellung der Schüler möchte ich, unbeeinflusst von einem Interviewer, mithilfe der Gruppendiskussionen herausfinden. Die Schüler sollen dabei die Themen setzen und selbst entscheiden, ob sie über Nutzungsmöglichkeiten oder Probleme des Internets sprechen. Auch in Marburg lautet die zentrale Forschungsfrage: Was machen blinde Schüler mit dem Internet? Außerdem: Welche Bedürfnisse möchten und können sie über dieses Medium befriedigen? Wo tauchen Schwierigkeiten auf, wie werden diese von den blinden Schülern gelöst und welche Rolle spielen dabei die Anforderungen der BITV?

Im Bereich der Nutzungsmöglichkeiten, sprich Bedürfnisbefriedigung, ist für mich interessant, welche zuerst und wie intensiv diese besprochen werden und welche Fachbegriffe verwendet werden. Die Schülergruppe entscheidet selbst, welches Niveau bzgl. der Fachsprache und der Internetthemen erreicht wird. Wenn ich selbst ein Thema wie "E-Mail schreiben" anspreche und die Schüler antworten, sie würden dies nutzen, dann, so mein Eindruck in Soest, kann ich nicht beurteilen, ob sie wirklich intensiv diese Nutzungsmöglichkeit nutzen oder es nur "auch schon mal" gemacht haben. Durch das Beobachten einer Unterhaltung von blinden Schülern über dieses Thema, so meine Hoffnung, würde ich einen wesentlich besseren Eindruck erhalten. Durch die Möglichkeit der Diskussion erhoffe ich mir auch, widersprüchliche Meinungen aufzudecken. Gerade im Bereich der Nutzungsschwierigkeiten, die bei den Schülern auftreten, ist es wichtig für mich zu wissen, ob die Probleme unumgänglich sind oder ob andere Schüler dies evtl. gar nicht als Probleme ansehen.

Auch bei den Nutzungsschwierigkeiten ist für mich interessant, welche zuerst thematisiert werden und auch, welche Aspekte der BITV von alleine angesprochen werden. Des Weiteren bin ich gespannt, ob der Begriff "Barrierefreies Webdesign" fallen wird. Natürlich gibt es bei einer Gruppendiskussion die Möglichkeit, dass sich manche Diskussionteilnehmer zurückziehen oder nur wenig sagen (siehe Kapitel 4.3.2). Genau dieses Problem trat aber auch bei den Gruppeninterviews auf, so dass ich für mein Forschungsziel in dem teilstandardisierten Verfahren keine Vorteile gegenüber des nicht standardisierten Diskussionskonzeptes erkennen kann. Ganz im Gegenteil: Durch den Versuch, allen Schülern die jeweilige Frage zu stellen, bremse ich aussagekräftige Diskussionen unter den Schülern. In Marburg werde ich deswegen die Vorteile des Gruppendiskussionskonzeptes versuchen zu nutzen. Bei der Transkriptionsweise der Diskussionen greife ich auf Vorschläge von Mayring zurück (vgl. Mayring 2002 S. 93.

Wer im Bereich Blindenkommunikation forscht, stößt unweigerlich auf Marburg. Die Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista) wurde 1916 in Marburg gegründet (vgl. Hilberg 1989 S. 10. Die blista stellt in Marburg nicht nur zahlreiche Bildungsangebote für Sehbehinderte und Blinde zur Verfügung, sondern auch das umfangreiche "Archiv und internationale Dokumentationsstelle für das Blinden- und Sehbehindertenwesen (aidos)", dessen Literaturrecherchemöglichkeiten für die Wissenschaft unabdingbar sind.

Im Rahmen meiner empirischen Forschung bot Marburg neben Soest die Möglichkeit, an einer Schule mehrere blinde Jugendliche in einer Gruppe befragen zu können. In der Carl-Strehl-Schule Marburg werden zurzeit fast 300 Schüler, Auszubildende und Rehabilitanden betreut und gefördert (vgl. Extern: blista.de, 10.11.05,.

Die Carl-Strehl-Schule ist eine staatlich anerkannte weiterführende Sonderschule und ein überregionales Beratungs- und Förderzentrum für Blinde und Sehbehinderte. Sie beginnt mit dem 5. Schuljahr und hat das Ziel Abitur, Fachabitur oder den Abschluss einer Berufsausbildung (vgl. Extern: blista.de, 10.11.05,.

Im Gegensatz zu Soest kann hier die allgemeine Hochschulreife erworben werden. Interessierte Schüler müssen für die Aufnahme an der Schule ein Schulgutachten der abgehenden Schule mitbringen und ein persönliches Beratungsgespräch führen. Eine Internatsunterbringung ist auch in Marburg möglich. Der Computer und das Internet werden seit 2004 an der Carl-Strehl-Schule systematisch als Lernmittel eingeführt. Über ein breit angelegtes Projekt sollen schrittweise alle Schüler mit internetfähigen Laptops ausgestattet werden (vgl. Kalina 2004 S. 4, (vgl. Herbst 2005 S. 28. Der Laptop wird als eine Art "blindengerechtes Federmäppchen" beschrieben. Damit die "Schulfähigkeit" hergestellt ist, haben Familien die Möglichkeit, für die Laptops finanzielle Unterstützung bei der gesetzlichen Krankenkasse oder bei einem überörtlichen Sozialhilfeträger zu beantragen. Der Relevanz der Informationstechnologie für das Aufwachsen geburtsblinder und früherblindeter Kinder wird damit Rechnung getragen.

Bereits bei meiner ersten Kontaktaufnahme nehme ich wahr, dass die Carl-Strehl-Schule sehr häufig von Wissenschaftlern und Medienvertretern angesprochen wird. Die Carl-Strehl-Schule muss den zahlreichen externen Anfragen restriktiv nachgehen, um den Schulbetrieb, der natürlich die höchste Priorität hat, nicht zu stören. Eine quantitative Befragung von 100 Schülern wäre somit bspw. nicht möglich. Trotz der vielen Anfragen, die zu organisieren sind, unterstützt Rudi Ullrich von der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. mein Forschungsinteresse durch großes Engagement und ermöglicht mir Termine für drei Gruppendiskussionen. Auch hier lege ich bei der Auswahl der Befragten darauf Wert, dass diese bereits Interneterfahrung besitzen. Mein zweites Anliegen ist, mindestens drei Gruppen befragen zu können, um unterschiedliche Konstellationen zu erhalten. Als Gruppenzahl bat ich um drei bis vier Schüler, da ich in Soest das Gefühl hatte, dass von den jeweils fünf Leuten sich jeweils hauptsächlich zwei bis drei Leute geäußert haben und sich der Rest schweigend zurückgezogen hat. Das Beobachten solcher Schweiger kann je nach Forschungsinteresse sogar interessant sein. In meinem Fall möchte ich allerdings in relativ kurzer Zeit vielfältige Meinungen wahrnehmen. Da ich den Aufwand pro Schüler, der für die Diskussion seinen Unterricht verpasst bzw. seine Freizeit opfert, möglichst gering halten möchte, entscheide ich mich also für drei Diskussionen mit relativ wenigen Diskussionsteilnehmern.

Gruppendiskussionskonzept

"Reden ist Silber, Schweigen ist Gold", so lautet das Prinzip, welchem das Diskussionskonzept nach Heinze unterliegt (vgl. Heinze 2001 S. 154.

Bei einzelnen Punkten zur Vorgehensweise einer Gruppendiskussion gibt es unterschiedliche Meinungen unter empirischen Wissenschaftlern. Ich folge in erster Linie dem Konzept von Loos, der sich von einigen Vorschlägen Lamneks ausdrücklich distanziert. Loos ist der Meinung, dass sich für eine Gruppendiskussion im Gegensatz zu standardisierten Befragungen keine allgemeinen Regeln aufstellen lassen (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 52. Es gebe allerdings reflexive Prinzipien und zitiert damit Bohnsack. Die Selbstläufigkeit hat zum Ziel, dass die "Relevanzsysteme derjenigen zur Sprache kommen, die Gegenstand des Forschungsinteresses sind" (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 52. Die Themen, die für die Betroffenen relevant sind, sollen also eigengesteuert zu Sprache kommen. Es dürften zwar vom Diskussionsleiter Fragen gestellt und Themen initiiert werden, es käme aber auf den Zeitpunkt an. Angelehnt an Loos unterteile ich jede Gruppendiskussion in vier Phasen (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 52 ff .

Die Gruppendiskussion beginnt mit der Eröffnungsphase, der ersten Begegnung der Teilnehmer unter sich und mit der Diskussionsleitung. Die Begrüßungen und die Vorbereitungen der Diskussion selbst lockern die Atmosphäre auf. Loos beschreibt diese Phase als fließenden, informellen Beginn, als "natürliches `warm up`" (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 49. In der eigentlichen Eröffnungsphase stellt die Diskussionsleitung das Projekt kurz vor. Man weist auf die Anonymisierung hin und fragt, ob jeder damit einverstanden ist, die Diskussion auf Band aufzuzeichnen. Am wichtigsten ist es, den Ablauf der Diskussion zu erläutern und darauf hinzuweisen, dass die Teilnehmer sich möglichst ungezwungen und frei unterhalten sollen. Vor der Diskussion selbst bitte ich die Teilnehmer, mir kurz anzugeben, wie sie heißen, wie alt sie sind, in welcher Klasse sie sind und seit wann sie blind sind.

Nach der Eröffnungsphase folgt der Grundreiz und die Phase der Selbstläufigkeit. Eine Gruppendiskussion wird durch einen "Grundreiz in Gang gebracht" (vgl. Lamnek 1998 S. 136. Neben Statements, Kurzfilmen, Artikeln können auch Fragen den Grundreiz darstellen. Laut Lamnek sollte der Grundreiz möglichst kontrovers in das Thema einführen, "um eventuell vorhandene Diskussionshemmungen abzubauen". Ich folge allerdings den Empfehlungen von Loos und wähle als Grundreiz eine allgemein gehaltene Frage zum Thema Internetnutzung (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 51. Sie lautet:

Wofür nutzt ihr das Internet, wie nutzt ihr es und vor allem: Welche Erfahrungen habt ihr bisher mit dem Internet gemacht?

Ganz bewusst ist diese Frage nicht kontrovers gehalten und spricht auch noch keine möglichen Probleme oder Aspekte der Barrierefreiheit an. In der ersten Phase soll die Selbstläufigkeit der Diskussion im Vordergrund stehen (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 52. Dazu gehört, laut Loos, der Gruppe die Möglichkeit zu geben, selbst die für sie relevanten Themen einzuführen. Gerade in der Anfangsphase, wenn sich die Diskussion gerade entwickelt, stellt dies eine große Herausforderung dar, da zunächst eventuell Pausen entstehen und Gruppenteilnehmer versuchen, die Diskussionsleitung in das Gespräch mit einzubeziehen (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 51. Die Leitung darf diesen Versuchen nicht nachgeben, sondern sollte auf das "Abstinenzprinzip" hinweisen, ggf. die Eingangsfrage wiederholen und auch Phasen des Schweigens zulassen. Weiterhin ist wichtig, dass Nachfragen der Diskussionsleitung nicht provokant formuliert werden und nicht nur an einen Diskussionsteilnehmer gerichtet sind. Die Nachfragen sollen also an alle gerichtet sein und "demonstrativ vage" gehalten werden, was durch unpräzise Fragestellungen erreicht wird (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 53. Auch auf "Eingriffe in die Verteilung der Redebeiträge" sollte die Diskussionsleitung verzichten. Dies ist ein weiterer Punkt, bei dem Loos der Meinung von Lamnek, der vorschlägt, gezielt Schweiger in die Diskussion einzubinden, widerspricht (vgl. Lamnek 1998 S. 151. In der ersten Phase soll sich die Gruppe selbst organisieren, so Loos. Erst wenn die Diskussionsleitung das Gefühl hat, dass sich die Gruppe ausreichend entfalten konnte, was sich durch längere Pausen bemerkbar macht, beginnt die zweite Phase.

Die zweite Phase ist die Phase der exmanenten Nachfragen. In dieser Phase werden durch Fragen Themen eingeführt, welche in der ersten Phase nicht angeschnitten wurden (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 54. Dies garantiert eine Vergleichbarkeit der einzelnen Diskussionsgruppen, da alle Gruppen letztendlich über die gleichen Themen gesprochen haben. Für die zweite Phase habe ich, wie von Loos empfohlen, eine Liste angefertigt, welche die Themen aufführt, die für das Forschungsinteresse meiner Arbeit relevant sind. Auch diese Themen bzw. Fragen sollten möglichst vage und deswegen frei formuliert sein und nicht abgelesen werden. Laut Loos kann diese zweite Phase auch sehr kurz ausfallen, wenn die Themen der Liste bereits in der ersten Phase von der Gruppe selbst angesprochen wurden. Die Punkte der Liste sind die gleichen wie in dem Interviewleitfaden, den ich in Soest verwendet habe. Der entscheidende Unterschied in Marburg ist, dass ich diese Punkte noch vorsichtiger einbringe, d.h. ich warte noch länger ab, ob nicht die Teilnehmer selbst die Themen ansprechen und falls ich doch ein Thema lancieren muss, dann versuche ich dieses noch allgemein gehaltener einzubringen, als ich es schon in Soest getan habe.

Erst in der dritten Phase, der direktiven Phase, werden direkt Widersprüche und Inkonsistenzen der offenen Fragen, die der Diskussionsleistung während den ersten beiden Phasen aufgefallen sind, angesprochen (vgl. Loos / Schäfer 2001 S. 54. In der dritten Phase dürfen die Themen auch "sehr pointiert, eventuell sogar konfrontativ formuliert werden". Ich werde erst in der dritten Phase Fachbegriffe und Formulierungen aus der BITV verwenden. Auch widersprüchliche Meinungen und offen gebliebene Fragen werde ich möglichst erst dann ansprechen.

Pro Diskussion sind 45 Minuten eingeplant. Alle drei Diskussionen finden am selben Tag statt.

Zusammenfassung der Gruppendiskussion 1 (3 Schüler, Marburg)

In der Eröffnungsphase stellen sich die drei Diskussionsteilnehmer vor (die Namen sind anonymisiert):

Nach der Eröffnungsphase gebe ich mit folgenden Fragen den Grundreiz: "Wofür nutzt ihr das Internet, wie nutzt ihr es und vor allem: Welche Erfahrungen habt ihr bisher mit dem Internet gemacht?"

Patrick erzählt, dass er das Internet für viele alltägliche Dinge, wie Recherchen, Bahnverbindungen raussuchen oder Lesen des Aldi-Newsletters mit aktuellen Angeboten (Zeile 15-20) nutze. Die "komplette Post", so Simon, laufe über Internet, dem Patrick zustimmt.

Oliver erweitert dies mit der Erwähnung von Chats, ICQ, MSN und Internettelefonie. Er erstelle eigene Internetseiten, so Oliver. Auch im Rahmen seiner Tätigkeit für das lokale Radio in Marburg erleichtere das Internet ihm seine Arbeit, da er online recherchieren und Bands E-Mails schreiben könne. Er erwähnt, dass man das Internet auch "für andere Dinge, die dann mehr oder weniger legal oder nicht legal sind", nutzen könne und spielt damit, so meine Vermutung, auf das Runterladen von Musikdateien an.

Da ich die Selbstläufigkeit der Diskussion nicht stören will, frage ich nicht nach. Patrick beschreibt das Internet als ein Hilfsmittel, um sich die Welt "in verschiedenen Dingen zugänglicher zu machen". So könne er als Blinder eine Busfahrt durch das Internet besser planen. Während ein Sehender in der Stadt jederzeit Schilder und Pläne nutzen könne, müsse er als Blinder eine Busfahrt gut vorbereiten. Deswegen setze Patrick das Internet, so seine Einschätzung, verstärkter ein als seine "sehenden Kollegen". Für ihn sei dies schon "Alltagsgeschäft geworden".

Nach einer siebensekündigen Pause frage ich, möglichst vage gehalten, ob es noch ganz andere Erfahrungen gebe. Simon geht auf eBay und "Einkaufsgeschichten" ein. Ebay und andere Shops würden zum Teil das Blättern in Katalogen ersetzen. Oliver geht darauf ein und meint, dass er bis auf eBay ab und zu eigentlich selten online einkaufe. Er ist der Meinung, "es gibt auch noch Dinge, für die man vor die Haustür gehen muss" und er finde es "ansprechender selber in den Laden zu gehen und zu gucken". Auch wenn das Internet den Preisvergleich erleichtere, biete ihm das "richtige Einkaufen" mehr Anreize. Patrick betont daraufhin, dass er das Internet für sinnvoll halte, um Preise zu recherchieren und sich über Produkte zu informieren. Simon ergänzt, dass es gerade bei Büchern praktisch sei sich über den Inhalt zu informieren, denn im Buchladen könne man sich als Blinder nicht eben mal die Klappentexte durchlesen. Auch Patrick findet das Stöbern bei Amazon eine "feine Sache". Als neues Thema geht er auf "Bankgeschäfte" ein. Patrick erzählt, wie er von der Sparkasse zur Netbank gewechselt sei, da diese für Blinde spezielle Services anbiete. So erhalte er die TAN-Listen in Punktschrift und müsse sich diese vertraulichen Nummern nicht mehr vorlesen lassen. Patrick könne so eigenständig das Online-Banking nutzen.

Ich vergewissere mich mit einer Frage, ob wirklich alle bei eBay einkaufen würden. Die Teilnehmer bestätigen dies, wobei Oliver betont, dass er selten bei eBay einkaufe. Von sich aus sprechen Patrick und Simon an, dass sie über eBay auch schon mal den "letzten Schrott" erhalten hätten, wobei das aber "natürlich" sei und "nichts mit Blindheit" zu tun habe.

Nach einer langen Redepause frage ich nach, ob es noch "irgendwelche anderen Sachen" gebe, die sie mit dem Internet machen. Oliver erwähnt ein zweites Mal die legalen und illegalen Sachen, vertieft es aber nicht selbst, so dass ich bei diesem heiklen Thema nicht nachhake.

Nach einer weiteren Pause frage ich nach, ob das Internet irgendwelche anderen Hilfsmittel ersetzen würde. Patrick findet, dass das Internet ein gutes Hilfsmittel sei, aber dass es andere Dinge ersetzen würde, könne er nicht behaupten. Patrick erwähnt nebenbei, dass er es gut finde, dass sich das Internet mittlerweile "schön mit Handy und sonstigen Dingen verbinden lassen" würde und dies eine hervorragende Sache sei. Oliver sträubt sich nicht so sehr gegen den Begriff "ersetzen" und meint, dass man heutzutage nicht mehr Leute bitten müsse, einem ein Lexikon rauszuholen und einen Begriff nachzuschlagen. Für Recherchen sei das Internet sehr hilfreich. Patrick meint daraufhin, dass das Internet die Recherche zwar erleichtere, aber nicht ersetze und zeigt mir damit, dass er meine Frage missverstanden hat, da ich wissen wollte, ob das Internet Hilfsmittel (und nicht Tätigkeiten) ersetzen würde. Allerdings greife ich nicht ein, da ich die Selbsläufigkeit nicht stören möchte. Das Gespräch geht kontrovers weiter. Oliver bringt ein, dass das Internet den Brief ersetzen würde. Worauf Simon darauf hinweist, dass er aber immer noch ein Telefon habe und das Internet also nicht die komplette Kommunikation ersetze. Und trotz Internets würden sie immer noch Briefe bekommen, z.B. von Behörden. Das finden Simon und Patrick schade. Oliver hingegen hält es für kritisch, wichtige Briefe von Behörden per E-Mail zu erhalten, da man in Zeiten der Spammer nicht sicher sein kann, ob es wirklich eine behördliche E-Mail ist. Patrick ist der Meinung, dass es heutzutage mit "digitalen Unterschriften und Verschlüsselungen" auch in diesem Bereich möglich sein müsse, von Brief auf E-Mail umzusteigen.

Die ersten sieben Minuten sind um. Eine längere Redepause entsteht und ich frage, ob es weitere Dinge gibt, für die die Teilnehmer das Internet gerne nutzen würden, das aber aus irgendwelchen Gründen nicht gehen würde. Patrick findet, so könne man das nicht sagen, denn es gebe viele Alternativen im Internet. Man könne nicht sagen, "dieser Dienst ist für Blinde nicht zugänglich". Manchmal müsse man zwar Umwege gehen, dann funktioniere es aber trotzdem relativ gut. Patrick findet, ein wichtiger Punkt seien die Angewohnheiten und die Arbeitstechnik des Einzelnen. Wenn ein Chat nicht gut funktioniere, suche sich Patrick halt einen anderen. Man könne nicht sagen, dass ein Dienst für Blinde gar nicht zu benutzen sei. Dem stimmt Simon zu. Auch Oliver meint, dass, "wenn das eine nicht geht, man sich eben mal einen anderen Anbieter sucht, bei dem es dann geht". Das Internet biete eine Fülle an Dingen. Patrick verweist auf sein Beispiel mit der Bank. Nachdem er gemerkt habe, dass seine Hilfsmittelsoftware die Sparkassen-Internetpräsenz nicht vernünftig auslesen konnte, habe er die Bank gewechselt.

Vorsichtig, ohne Begriffe wie "Barrierefreiheit" oder "Barrierefreies Webdesign" zu verwenden, frage ich, ob es die Alternativen im Internet schon lange gebe oder die erst seit kurzem nach und nach kommen. Patrick selbst bringt den Begriff "Barrierefreiheit" ein und erläutert, dass durch die Diskussion darüber die Alternativen "immer mehr im Kommen" seien. Durch das Gesetz, dass jede staatliche Seite bald barrierefrei sein müsse, würde da einiges getan werden, so Patrick. Er bezweifelt allerdings, dass bei jeder Seite, die für die breite Öffentlichkeit gedacht ist, die Barrierefreiheit berücksichtigt werden würde. Blinde, so seine Einschätzung, würden in der breiten Öffentlichkeit eine untergeordnete Rolle spielen.

Simon stellt in Frage, "ob es überall immer notwendig ist" und meint damit, denke ich, die Barrierefreiheit. Patrick stimmt dem zu. Ich halte mich mit Nachfragen zurück, so dass Oliver direkt anfügen kann, dass sich das Thema "Barrierefreiheit" nicht nur auf Blinde beziehe. Auch Leute mit anderen Handicaps oder Nutzer mit bestimmten technischen Voraussetzungen ( z.B. kein Windows) seien Zielgruppe von der Barrierefreiheit.

Es sind zwölf Minuten um und es wurden bisher fast alle Nutzungsmöglichkeiten genannt, die ich in Erwägung gezogen habe. Auf der anderen Seite wurden von den Teilnehmern bisher keine Probleme genannt, welche die Nutzung von Diensten verhindern würden.

Ich frage, ob es zentrale Probleme gibt, die das Surfen sehr erschweren. Oliver erzählt, dass es seiner Meinung nach welche gegeben hätte, die aber auch an der Hilfsmittelsoftware gelegen hätten. Seitdem die neue Version auch Flashseiten auslesen könne, hätten sich die Probleme ein bisschen gelegt. Natürlich gebe es immer noch Seiten, die nicht gut lesbar sind. Das liege dann daran, dass Grafiken nicht beschriftet seien oder irgendwelche Videos laufen würden, so Oliver.

Simon kennt keine zentralen Probleme. Bei den Seiten, auf denen er surfe, gebe es keine großen Probleme. Nicht beschriftete Grafiken seien natürlich ein Problem, aber er glaube, auf manche Bilder könne man auch verzichten.

Patrick stimmt dem zu und wiederholt, dass er sich Alternativen suche, wenn eine Seite gar nicht funktioniere. Als Beispiel fällt ihm ein Online-Shop ein, dessen Seiten sich alle 10 bis 15 Sekunden automatisch aktualisiert haben. Das sei "ein übles Problem", da die Hilfsmittelsoftware dann immer wieder von oben anfange zu lesen. Er habe den Shopbetreibern gemailt und auf das Problem aufmerksam gemacht. Diese hätten reagiert und die Aktualisierung auf 40 bis 50 Sekunden hochgesetzt. Oliver berichtet von einem Trick für sich automatisch aktualisierende Internetseiten. Er versuche in solchen Fällen das Dokument, welches sich hinter dem Link verbirgt, zu speichern, um es dann in Ruhe zu lesen. Das funktioniere aber auch nicht immer. In solchen Fällen suche auch er über Google nach Alternativen.

Ich hake nach und frage, ob die genannten Probleme einfach nur nervig seien oder dazu führen würden, dass sie weniger surfen. Dies verneinen alle drei. Patrick sagt erneut, dass er einfach andere Seiten nutze, wenn eine nicht funktionieren würde. Auch Oliver sieht kein Problem darin, auf einzelne Seiten zu verzichten.

Ich möchte von den Diskussionsteilnehmern wissen, ob sie glauben, dass, wenn eine Internetpräsenz gut funktioniere, sich die Websitebetreiber Gedanken gemacht hätten oder es eher Zufall sei, weil sie unbewusst nichts falsch gemacht hätten. Simon und Oliver sind der Meinung, dass in den meisten Fällen unbewusst nichts falsch gemacht worden sei. Simon kann sich nicht vorstellen, dass "extra" jemand eingesetzt werden würde, der überprüft, ob die Seite gut funktioniere. Patrick stimmt den beiden weitestgehend zu. Es komme auf die Zielgruppen eines Online-Portals an, ob barrierefreie Aspekte berücksichtigt werden würden oder nicht. Bei seiner Bank netbank, das wisse er, hätten sie jemanden für die behinderte Zielgruppe eingestellt. Patrick erwähnt Google als gutes Beispiel. An der Seite möge er, dass sie "einfach schnell ist und funktioniert".

Ich habe das Gefühl, dass die drei Diskussionsteilnehmer sehr interneterfahren sind. Ich frage sie, ob sie glauben, dass sie im Vergleich zu ihren Mitschülern oder anderen Blinden besonders gut mit dem Internet zurecht kommen. Oliver hat ein Problem damit, sich mit anderen zu vergleichen und meint:

Übung macht den Meister. Wer auch daran interessiert ist, damit umgehen zu können, der wird es auch machen und der wird auch im Laufe der Zeit seine Übung damit bekommen und seine eigenen Techniken entwickeln, wie er eine Internetseite managt (Oliver)

Auch Simon meint, es komme auf die Interessenslage an. Wenn man das Internet wirklich braucht, dann werde man natürlich auch besser im Umgang mit der Technik. Dem stimmt Patrick zu. Wenn man das Internet nur nutze, um ein paar Dinge nachzuschlagen, dann lerne man langsamer, als wenn man das Internet wirklich als Hilfsmittel betrachten würde. Er selbst würde sich so einschätzen, dass er "schon überdurchschnittlich gut" mit dem Internet zurecht komme. Das liege einfach daran, dass er es "vielfältig und in unterschiedlichsten Lebenslagen" einsetze. Unter Sehenden und Blinden gibt es große Unterschiede, wie gut die Leute mit dem Internet zurecht kommen würden, meint Patrick. Das hänge einfach von der Einstellung zum Internet ab. Manche schrieben E-Mails, würden aber von Einkaufen nichts wissen wollen.

Ich frage, warum manche davon nichts wissen wollen. Patrick erwidert, dass er glaubt, manche hätten einfach Angst, damit nicht zurecht kommen zu können oder "irgendwas kaputt zu machen". Es herrsche bei manchen eine große Unsicherheit.

Simon meint, dass er verstehen könne, dass die Leute lieber eine Zeitung lesen würden, als sich an den Computer zu setzen. Das würde er auch so machen (wenn er sehen könnte). Und dann sei es klar, dass die Leute sich nicht so intensiv mit dem Internet beschäftigen würden. In dem Zusammenhang berichtet Patrick von einem interessanten Service: Er erhalte als Blinder das Computermagazin c`t kostenlos als Textdatei per E-Mail und freue sich sehr über die Möglichkeit, somit das Magazin lesen zu können.

Als nächsten Punkt spreche ich die Anfangsschwierigkeiten an. Ich frage nach Problemen, die den Einstieg ins Internet erschwert hätten. Oliver erzählt, dass es seiner Meinung nach teilweise an den Lehrern lege, die sich selbst noch nicht mit dem Internet auskennen würden. Er wäre damals sehr am Internet interessiert gewesen, hätte aber weder privat noch in der Schule die Möglichkeit gehabt zu surfen. Patrick meint, es hätte damals noch mehr Probleme gegeben, da die Hilfsmittelsoftware noch nicht so ausgereift gewesen wäre. Das Wichtigste für einen Anfänger sei, so Patricks Einschätzung, mit der Kombination Internet Explorer und Hilfsmittelsoftware richtig umgehen zu können. Es gehöre außerdem ein Stück Übung hinzu, da man sich viele Tastenkombinationen merken und sich vorstellen müsse, "was da eigentlich passiert". Simon fügt hinzu, man müsse einfach den Mut haben, es selber zu machen. Manchmal, so Patrick, sei es auch wichtig, einfach mal einen "sehenden Kollegen" zu fragen, was da eigentlich auf dem Bildschirm passieren würde. Es sei auch hilfreich zu wissen, was Frames seien und wie HTML-Tabellen aufgebaut seien, sagt Patrick.

Es gibt eine längere Pause. Ich greife den von den Teilnehmern verwendeteten Begriff "Funktionieren einer Seite" auf und frage genauer nach, wann eine Internetseite gut funktioniere. Patrick bringt ein Beispiel für Grafiken: Wenn eine wichtige, verlinkte Grafik wie der Hinweis "Bestellung abschicken" nicht zusätzlich mit einem ALT-Text beschriftet sei, dann könne sie ein Blinder nicht nutzen. Textlinks, z.B. um Navigationsleisten zu überspringen, seien zwar ganz nett, aber nicht ausschlaggebend. Die wichtigsten Grafiken müssten halt beschriftet sein und die Seite dürfe sich nicht zu häufig automatisch aktualisieren. Auch Oliver meint, dass sei die Hauptsache (Zeile 845-849). Barrierefreiheit sei nicht an jeder Stelle schön.

Patrick fällt doch eine Sache ein, die "ein bisschen lästig ist": aufpoppende Werbefenster. Er erhält direkt Zustimmung von Oliver. Etwas später erwähnt Patrick, dass er es praktisch finde, wenn externe Links im neuen Fenster geöffnet werden würden, da er so leicht zur eigentlichen Seite zurückkehren könne. Unpraktisch hingegen, so fällt ihm wiederum etwas später ein, seien Ausklapplisten, sogenannte Schnellnavigationen. Die würden sich nicht gut bedienen lassen.

Es sind ca. 35 Minuten vergangen. Die Redepausen werden länger und auch auf Nachfragen versickert die Diskussion. Ich frage Oliver, was er mit seiner Äußerung "Barrierefreiheit nicht immer" gemeint habe. Er beschreibt, dass Links wie "Navigation überspringen", "zurück" und "zum Seitenanfang" nicht unbedingt sein müssen.

Auch dem Thema Grafiken gehe ich nochmal nach und möchte wissen, ob Grafiken ein ganz zentrales Problem seien, die ihnen immer wieder etwas erschweren würden. "Nur, wenn sie nicht beschriftet sind", meint Oliver. Ansonsten seien sie den Teilnehmern egal, auch Hintergrundgrafiken.

Ich spreche Flashfilme und Videos an und frage, ob diese erläutert werden sollten. Oliver geht nur teilweise darauf ein und entgegnet sofort "bloß weg" damit. Das Schlimmste sei, so Oliver, wenn die Filme noch Ton hätten, weil dann die Blinden auf den Ton der Sprachausgabe angewiesen seien und beides gleichzeitig hören würden. Die Idee, dass die Videoinhalte irgendwo nochmal beschrieben sein könnten, wird von den Teilnehmern verhalten aufgenommen.

Als nächstes frage ich, ob sie häufiger Probleme mit Internetseiten hätten, weil sie die Maus nicht nutzen könnten. Simon erwidert, dass sie Computerspiele nicht nutzen könnten, was für einen gemeinsamen Lacher sorgt. Auf das Thema Computerspiele wird nicht weiter eingegangen. Oliver fällt an dieser Stelle ein anderes Problem ein. Manchmal müsse man, um bestimmte Dienste wie SMS-Versenden zu können, bei der Anmeldung einen Grafikcode, den der Screenreader nicht auslesen kann, abtippen. Dadurch sei der Dienst nicht zugänglich.

Als letztes Thema gehe ich auf Nur-Text-Versionen ein. Ich frage, ob Nur-Text-Versionen das Beste seien, was es gebe. Simon meint, es gebe gute Textversionen. Patrick hingegen sagt, er nehme nicht immer die Textversionen. Er sei nicht immer auf diese angewiesen. Ich frage, warum er nicht immer die Textversionen nutze. Patrick erwidert, dass ihn bei den Nur-Text-Versionen die übertriebene Anzahl an Hinweisen ("Navigation überspringen", "zum Seitenende springen") nerven würden. Auch Oliver sagt, dass er, wenn sie funktionieren, die normalen Versionen den Nur-Text-Versionen vorziehe.

Zusammenfassung der Gruppendiskussion 2 (2 Schüler, Marburg)

In der Eröffnungsphase stellen sich die beiden Diskussionsteilnehmer vor (die Namen sind anonymisiert):

Nach der Eröffnungsphase habe ich mit folgenden Fragen den Grundreiz gegeben: "Wofür nutzt ihr das Internet, wie nutzt ihr das Internet und welche Erfahrungen habt ihr so mit dem Internet gemacht?"

Jonas nutze das Internet vor allem im Unterricht, um zu recherchieren. Wenn der Lehrer ein Wort sage, dass Jonas nicht kennen würde, dann schlage er direkt in Suchmaschinen nach. Außerdem nutze Jonas Internettelefonie, Radio-Upstream, Online-Updates, Online-Spiele und Chats. Aber er betont, dass er die Internettelefonie den Chats vorziehe. Jonas habe die Erfahrung gemacht, dass viele Internetseiten sehr gut aufgebaut seien. Grafiken würden nicht unbedingt stören, aber Flashfilme seien kritisch.

Daniel schließe sich Jonas an, so seine Worte. "Internet ist so meine Lebensader", meint Daniel. Er ziele seine ganze Kommunikation auf das Internet ab. Er nutze Messengerdienste wie ICQ und MSN, Upstreaming, Informationsrecherche, IRC (Internet Relay Chats) und auch Intenettelefonie. Er habe sich auch wenig mit IRC-Bots beschäftigt.

Nach einer Redepause frage ich, ob es weitere Erfahrungen gebe. Daraufhin meint Daniel, dass es schon viele Seiten gebe, die schwer zu handhaben seien, aber es würde sich bessern. Die Zeiten, in denen Flash eine dominierende Rolle gespielt habe, wären vorbei. Der Trend gehe, so sein Eindruck, zur Barrierefreiheit.

Nach einer sehr langen Pause versuche ich das Gespräch durch vage Fragen wieder anzukurbeln und frage, woran sie noch bei "Internet" denken würden. Daniel beschreibt das Internet als eine "universale Sache", das Internet wisse alles. In Newsgroups, FAQ-Listen, Foren und über Filesharing, FTP und IRC komme man an Informationen, so Daniel. Er habe vor, Linux statt Windows zu nutzen und recherchiert bereits dafür.

Ich frage, ob es irgendwelche Sachen gebe, wofür sie das Internet nutzen würden, aber das aus irgendeinem Grund nicht gehe. Ein Grund könnte für manche Leute sein, so Daniel, dass sie keinen Internetanschluss hätten. Er bringt zum Ausdruck, dass man aber trotz mancher Probleme das Internet nutzen könne. Dies bestätigt Jonas. Eigentlich könne man auf einer Internetseite immer etwas sehen. Und wenn wirklich mal etwas nicht ginge, seien das meist Programme, die sich zum Internet verbinden würden, meint Jonas.

Nach einer weiteren Redepause frage ich, ob es irgendwelche zentralen Probleme gebe, die ihnen das Surfen erschweren würden. Jonas äußert, dass dies eigentlich nicht der Fall sei, ihm würden keine Probleme einfallen. Daniel geht auf ein paar Probleme ein. Als erstes nennt er wieder Flash. Außerdem geht er auf grafische Codes ein, die man bei Anmeldungen bei manchen Online-Diensten angeben müsse. Manche Seiten wären schwieriger zu nutzen, weil sie "unendlich lang" sind und es "zehn oder fünfzehn Links" für dieselbe Funktion geben würde. Solche Seiten zu nutzen gehe zwar, sei aber "stressig", so Daniel. Die grafischen Codes findet Jonas auch problematisch, z.B. bei MSN/Hotmail käme das vor. Man könne sich den Code bei diesen Diensten auch per mp3-Datei vorlesen lassen, aber die Stimme könne man nicht gut verstehen. Auch Daniel kenne solche Hilfsdienste.

Ich konstatiere, dass anscheinend viele Seiten gut funktionieren würden. Ich möchte wissen, ob Daniel und Jonas das Gefühl hätten, dass die Website-Betreiber extra auf Barrierefreiheit achten würden oder ob es eher Zufall sei, wenn die Seite funktioniere. Jonas denkt, dass sich schon welche über Barrierefreiheit Gedanken machen würden, aber dabei nicht unbedingt an Blinde denken würden. Vor allem die Hersteller des Screenreaders Jaws hätten sich seiner Meinung nach Gedanken gemacht. Auch Daniel meint, es sei vor allem dem Fortschritt der Blindenhilfsmittel zu verdanken, dass die Seiten handhabbar seien. Er beschreibt weitere Probleme, die durch schlecht beschriftete Grafiken, Dateinamen und Frames entstehen würden.

Wann, so frage ich, sei eine Seite besonders gut für sie zu handhaben. Jonas meint, "ein bisschen Grafik" wäre in Ordnung, aber Flash sei nervig. Er nennt das Positivbeispiel www.hedo.de, die Seite eines Braillezeilenherstellers. Die hätten neben einer grafischen Version auch eine Nur-Text-Version. "Das ist natürlich ein Traum", so Jonas. Daniel widerspricht sofort und meint, er finde solch eine Nur-Text-Version gar nicht so traumhaft. Eine Website sollte in der ursprünglichen Version für Sehende und auch für Blinde "attraktiv" sein. Eine Seite wie Google sei perfekt, so Daniel. Jonas finde Google auch toll, meint aber trotzdem, dass eine zusätzliche Textversion hilfreich sei. Daniel bleibt dabei, dass man die ursprüngliche Website durch saubere Bilderbeschriftung auch für Blinde zugänglich gestalten sollte. Bei manchen Websites würde es aber auch übertrieben werden, so z.B. bei virgo4.de, meint Daniel. Die hätten viel zu viele Links, die der Barrierefreiheit dienen sollen. So seien dort Logos mit "Validate of HTML" und "CSS-Validator" zu finden, die unnötig seien, so Daniel. Auch die Bannerbeschreibungen, welche speziell für Blinde erstellt worden sind, wären übertrieben.

Ich sehe, dass wir nur noch ein paar Minuten Zeit haben und hake nun nach. Ich frage Daniel, warum er Nur-Text-Versionen nicht toll finde. Daniel erläutert, dass durch solche Extra-Versionen der Zusammenführungsprozess zwischen Blinden und Sehenden behindert werden würde. Bei Informationsseiten könne man Nur-Text-Versionen anbieten. Aber bei interaktiven Diensten, bei denen sich Menschen austauschen, sei eine Extra-Version für Blinde nicht gut. Die Blinden würden dann andere Links und Unterseiten nutzen als die Sehenden und dadurch finde eine Trennung statt. Einmal wäre er auf eine spezielle Textversion gestoßen, bei der nur noch der Text mit "Vor"- und "Zurück"-Links angezeigt worden wäre. Alle Auflockerungsmerkmale der Originalseite hätten hier gefehlt. Dies halte Daniel für einen falschen Weg.

Ich möchte, mit Blick auf die Uhr, noch schnell einige Punkte durchgehen. Was, so frage ich, seien ihrer Meinung nach gerade für Internet-Anfänger die zentralen Probleme. Daniel meint, man müsse sich vieles intuitiv erschließen und sich vorstellen, was sich die Webdesigner gedacht haben. Jonas fügt hinzu, dass es gut sei, wenn man am Anfang Hilfe und Erklärungen erhalten würde (Zeile 429-434). Er hätte sich das Internetsurfen zwar selbst beigebracht, könne aber schon nicht mehr sagen, wie. Jonas erzählt, wie schwer er es fand sich vorzustellen, wie sich eine Internetverbindung über das Modem aufbauen würde.

Ich frage nach, ob die Tastenkombinationen bei der Software eine große Hürde darstellen würden. Jonas findet, die lerne man. Am Anfang sei manches umständlich, aber irgendwann habe man es dann raus.

Als nächstes frage ich, ob automatische Seitenaktualisierungen ein Problem darstellen würden. Jonas meint, man könne die Aktualisierung auch ausstellen und es sei kein großes Problem. Auch Daniel sieht darin nicht die großen Probleme.

Ich frage, ob PopUps häufig nerven würden, was Jonas und Daniel sofort verneinen. PopUp-Blocker würden sie nicht nutzen, weil dadurch auch sinnvolle PopUps geblockt werden würden.

Zum Schluss frage ich noch kurz, ob die beiden auch im Internet einkaufen würden. "eBay", erhalte ich von beiden als Antwort.

Zusammenfassung der Gruppendiskussion 3 (3 Schüler, Marburg)

In der Eröffnungsphase stellen sich die drei Diskussionsteilnehmer vor (die Namen sind anonymisiert):

Nach der Eröffnungsphase gebe ich mit folgenden Fragen den Grundreiz: "Wofür nutzt ihr das Internet, wie nutzt ihr das Internet und welche Erfahrungen habt ihr bisher so mit dem Internet gemacht?"

Matthias nennt das Stichwort "E-Mail". Alle drei würden Outlook nutzen. Direkt online die Mails abzurufen würde wohl gehen, sei aber umständlicher. Matthias nutze beides. Bernd fragt, wer heute schon den Messengerdienst ICQ genutzt habe.

Die Teilnehmer wechseln sich bei der Diskussion viel ab und unterhalten sich locker und vertraut. Sie kennen sich anscheinend gut, so dass sie von einem Thema zum nächsten kommen und auch Insider-Witze machen.

Es werden von unterschiedlichen Teilnehmern viele Stichworte genannt: Internet Explorer und Jaws würden genutzt werden. Die Browser Firefox und Opera seien weniger blindenfreundlich, da sie mit dem Screenreader Jaws nicht gut funktionieren würden, so Valentin. Bernd und Matthias bestätigen dies. Die Teilnehmer beschreiben eine Weile, wo die Browserprobleme liegen würden.

Ohne mein Eingreifen geht Valentin nochmal auf meine Eingangsfrage ein und nennt weitere Nutzungsmöglichkeiten. Für die Recherche und "Neuigkeiten" nutze er das Internet. Bernd stimmt dem zu. Er recherchiere für die Schule und privat im World Wide Web. Bernd habe eine T-DSL-Verbindung, Valentin surfe über W-LAN. Bernd erzählt, dass DSL eigentlich ganz gut sei, nur die Windows-Updates würden ein bisschen dauern. Er sei gerade dabei eine eigene "Homepage" zu basteln. Valentin kommentiert, dass er bis jetzt drei gehabt habe. Eine davon würde auch ein Gästebuch gehabt haben, in welches sich Besucher eintragen konnten. Matthias meint, er nutze das Internet auch, um Programme zu "ziehen". Bernd und Valentin sagen, dass sie das natürlich auch machen würden.

Nach einer Redepause versuche ich das Gespräch wieder anzustoßen. Bernd meint, sie würden das Internet im Grunde so wie andere Leute auch nutzen. "Das wird eigentlich immer besser", so Bernd mit Blick auf die Entwicklung von Windows. Valentin stimmt zu.

Die Teilnehmer würden außerdem Foren nutzen. Valentin ziehe Mailinglisten den Foren vor. Auch Chats würden alle nutzen. Matthias deutet aber an, dass es bei Chats "immer darauf ankomme", ohne dies zu konkretisieren. Ich hake ein wenig später nach und frage in die Runde, was (bei Chats) "kommt immer drauf an" heißen würde. Bernd antwortet, dass es nicht schön sei, "wenn die Oberfläche kunterbunt ist". "Wenn man immer hin und her springen muss", sei das ebenfalls problematisch, so Valentin. Ich frage noch nicht weiter nach, sondern lasse das Gespräch weiterlaufen. Bernd geht nochmal auf ICQ ein und erzählt, dass die meisten seiner Freunde diesen Dienst nutzen würden. Aber es gebe auch ein paar Leute, die den MSN-Messenger nutzen würden.

Ich gehe ein zweites Mal auf die Chats ein und frage offen in die Runde, was "kunterbunt" und "hin und her springen" heißen würde. Matthias antwortet, dass es ungünstig sei, wenn sich der Chat automatisch aktualisieren würde, weil dann der Screenreader an den Seitenanfang geworfen würde. Dies bestätigt Valentin.

Bernd überlegt unterdessen, wofür man das Internet noch nutzen könne. Ihm fällt eBay ein, dem alle zustimmen. Die Teilnehmer hätten auch schon gekauft und verkauft. Valentin erwähnt, dass bei Matthias und ihm der letzte Kauf schon etwas her sei, was aber, so auf meine Nachfrage, eine reine Zeitfrage sei und nichts mit eBay zu tun habe. "Man kann ja nicht jeden Tag was kaufen", meint Matthias lachend.

Ob sie noch woanders einkaufen würden, frage ich in die Runde. Matthias und Valentin würden auch bei Amazon bestellen. Bernd habe dort bisher nur geguckt und noch nichts gekauft. Bernd möge die große Auswahl an Musik-DVDs.

Nach einer Redepause gehe ich ein drittes Mal auf die Chats ein und frage nochmal, was mit "kunterbunt" gemeint gewesen wäre. Die Farbe sei eigentlich egal, so Bernd (Zeile 427-430). Der Begriff "kunterbunt" wäre eigentlich eine Anspielung darauf, dass sie mit so Sachen wie PDFs nichts anfangen können würden, weil das "grafische Programme" seien. Das löst bei Valentin Erstaunen aus und er meint, dass er PDFs nutzen könne. Bernd ergänzt, dass man die PDFs aber erst "umdingsen" müsse. Valentin erklärt, dass das mit Jaws ab 4.03 oder 4.01 problemlos klappen würde. Matthias stimmt zu, dass es auf die Version ankomme. Letztendlich verständigen sich die Teilnehmer darauf, dass man den Acrobat Reader benötige, den man aber auch als Sehender für PDFs verwenden müsse.

Matthias, der als Erstes den Begriff "kunterbunt" verwendet hatte, beschreibt, dass Flashseiten stören würden, was Valentin und Bernd bestätigen. Vor allem, wenn eine Seite komplett in Flash sei, ergänzt Matthias. Ich frage nach, was das für sie bedeuten würde. Diese können sie nicht nutzen, da sie zu grafisch seien, antwortet Valentin und erhält Unterstützung von Matthias und Bernd.

Ich frage, ob es sonst noch Sachen geben würde, die sie mit dem Internet verbinden würden, kann aber das Gespräch nicht wieder anstoßen. So stelle ich die neue Frage, ob das Internet ihnen ganz neue Sachen bieten würde, die andere Hilfsmittel nicht bieten könnten. Ob also das Internet eine zentrale Rolle im Kommunikationsbereich spiele. Bernd antwortet:

Der Vergleich halt zu den Sehenden... ähm dass wir denen halt so gut wie in nichts nachstehen eigentlich (Bernd)

Valentin kommentiert, dass es auf die Seite ankomme (Zeile 524). Dem stimmt Bernd zu und betont, dass er sagte "so gut wie" in nichts nachstehen. Klar gebe es ein paar Probleme, aber im Grunde können sie - von ein paar Ausnahmebeispielen abgesehen - das Internet wie die Sehenden nutzen. Auch Matthias und Valentin finden, dass sie den Sehenden in den wichtigsten Bereichen in nichts nachstehen würden.

Ich frage, was es für Ausnahmen gebe. "Viele Online-Spiele", meint Matthias und bringt Valentin sehr zum Lachen. Es gibt eine siebensekündige Redepause. Nach einigem Zögern, erwähnt Valentin nochmal das Problem der automatischen Aktualisierung der Chats.

Nach einer weiteren Redepause frage ich, ob es noch irgendwelche Dinge geben würde, wofür die Teilnehmer das Internet gerne nutzen würden, das aber aus irgendwelchen Gründen nicht gehe. Die Teilnehmer grübeln. Es herrscht 14 Sekunden Schweigen.

Dann fällt Matthias sogar noch eine sehr hilfreiche Nutzungsmöglichkeit ein: Online-Banking. Bernd und Valentin stimmen zu. Matthias und Bernd würden Online-Banking nutzen, bei Valentins Konto gehe es noch nicht. In Marburg nutze Bernd allerdings auch kein Online-Banking oder eBay, weil ihm das über W-LAN zu unsicher sei.

Es gibt eine weitere Redepause. Ich möchte nun wissen, ob es irgendwelche zentralen Probleme gebe, die den Diskussionsteilnehmern das Surfen ein bisschen oder sehr erschweren würden. Nach kurzem Schweigen sagt Matthias, dass es ein Problem sei, wenn Links "keine vernünftigen Namen" besitzen würden. Das habe man viel beim Webradio, meint Bernd. Auch Links, die auf Bildern und nicht auf Text liegen und dann zum Beispiel "menue button 1" heißen würden, seien "blöd", so Matthias und erhält Valentins und Bernds Zustimmung. Auch Buttons, z.B. für LogIn o.ä., werden oftmals nicht richtig beschriftet und können somit nicht genutzt werden, erklären die Teilnehmer. Valentin und Bernd denken laut nach, wo es noch Probleme gebe. Bernd fällt ein Fall ein, bei dem eine Anleitung eingescannt und als Bild ins Netz gestellt worden sei. Die Teilnehmer amüsieren sich darüber und sagen, damit könne man nichts anfangen. Weitere neue Probleme werden nicht genannt.

Ob die Probleme einfach nur nervig seien oder auch dazu führen, dass sie manche Dinge nicht machen könnten, frage ich. Bei ungenügenden Beschriftungen könnte es schon passieren, dass man manche Seiten nicht nutzen könne, außer man würde "58 Links" ausprobieren mögen, so Matthias. Bernd ergänzt, dass er in solchen Fällen einfach zu anderen Seiten surfe. "Es gibt zig weitere Seiten", meint er, und dass man bei Google nichts finde, ist eigentlich eher ein Ausnahmefall. Es sei häufiger, schätzt Bernd, dass eine Seite funktioniert und erhält Zustimmung von Valentin und Matthias. "Das ist eigentlich ziemlich selten, dass es nicht funktioniert", ergänzt Valentin. Das passiere eher bei kleineren und privaten Seiten, so Valentin und Bernd.

Ich frage, ob sie das Gefühl haben, dass die Betreiber von funktionierenden Seiten darauf achten würden oder es eher Zufall sei, wenn die Seite barrierefrei sei. Matthias meint zu wissen, dass es dafür eine "Commendation" gebe, wie man sowas machen sollte (Zeile 835-836). Bernd stimmt zu. Er erinnert sich daran, dass AOL mal von Blinden verklagt worden sei, weil der AOL-Browser für Blinde nicht handhabbar gewesen wären. Auch Matthias und Valentin können sich an den "komischen" AOL-Browser erinnern.

Wie sollte eine Seite aufgebaut sein, möchte ich wissen, erhalte aber keine Antwort. Es herrscht Ratlosigkeit und Schweigen. Also hake ich nach, was verbessert werden könnte. Bernd betont, dass Durchschnittsseiten "schon ok" seien. Matthias fügt hinzu, dass Seiten lieber mit CSS statt mit Tabellen erstellt werden sollten. Das findet Valentin auch. Bernd spricht das Thema Frames an. Er meint, dass ihn Frames nicht stören würden. Valentin findet Frames sogar ganz praktisch und hilfreich. Ich frage nach, warum Frames hilfreich seien. Valentin beschreibt, dass man mit Jaws direkt zum nächsten Rahmen springen könne. Wenn man gezielt einen Link suche, könne man direkt zum Inhalt springen, so Bernd und Valentin (Zeile 913-915). Vor allem, wenn man häufiger auf der Seite sei, wisse man ungefähr, wo was sei. Wenn man in Jaws die Linkliste aktiviert, werden alle Links untereinander aufgelistet, so Bernd.

Ich wiederhole meine Frage abgewandelt, welche Kriterien eine Internetseite ihrer Meinung nach erfüllen sollte. "Flash sollte verboten werden", erwidert Bernd. "Ja, genau", meint Valentin und lacht. Dass man Bilder richtig beschriftet (ALT-Texte) und Links nicht auf Bilder, sondern auf Text legt, sei außerdem wichtig, wiederholt Valentin. Bei irgendeinem Hintergrundbild, brauche man natürlich keine ALT-Texte, ergänzt Matthias. Bei solchen unwichtigen Bildern solle man am besten gar nichts als ALT-Text angeben.

Nach einer Redepause lege ich den Fokus auf die Anfangsschwierigkeiten als blinder Internetnutzer und frage die Teilnehmer danach. "Das ist schwierig", meinen diese, weil das schon so lange her sei. Schweigen. Matthias beschreibt dann, dass man sich erstmal gewöhnen müsse, sich nur vom Hören her auf einer Seite zu orientieren. Bernd erzählt von Anfangsschwierigkeiten eines Sehenden, dem dann Bernd das Internet gezeigt habe. Bernd meint, es komme darauf an, was man machen wolle, ob man der "geborene Anwender" sei oder nur mal "ein bisschen" gucken wolle. Davon hänge es ab, wie man damit zurecht kommt. Bernd habe sowohl Blinden als auch Sehenden schon geholfen. Das Problem von Anfängern sei die Bedienung von Jaws, sagt Valentin. Die Befehle seien schwierig, ergänzt Bernd. Ich hake nach, ob die Tastenkombinationen die größte Hürde wären. Man müsse sie halt lernen, erwidert Valentin. Es komme darauf an, ob man regelmäßig oder nur selten surfe, findet Bernd. Wenn man etwas regelmäßig brauche, dann lerne man das auch, meint Bernd nicht nur auf das Internet bezogen.

Valentin hatte weiter oben gesagt, er nutze lieber Mailinglisten als Foren. Ich frage in die ganze Runde, warum "jemand" meinte, Mailinglisten seien besser als Foren. Valentin antwortet, dass es bei Mailinglisten praktisch und bequemer sei, dass die Beiträge per E-Mail kommen würden.

Ich frage Matthias und Bernd, ob sie Online-Banking auch für Überweisungen und sowas nutzen würden. Matthias bestätigt dies und sagt, dass sich die Banken was einfallen lassen sollten, wie sie Blinden auf sicherem Wege TAN-Listen digital weitergeben können. Aktuell müsse er sich die gedruckte TAN-Liste nämlich diktieren lassen, weil das Papier zu dünn zum Scannen sei. Bernd hat ebenfalls Hilfe dafür in Anspruch nehmen müssen.

Ich frage nochmal, ob sie irgendwas im Internet vermissen, aber ihnen fällt auch diesmal nichts ein.

Ich gehe nun bisher nicht angesprochene Punkte bzw. noch ungeklärte Fragen durch.

Als erstes spreche ich Flashfilme und Videos an und frage, ob es dort Erläuterungen geben sollte, damit sie wissen würden, was dort dargestellt werde. Diese Idee wird nicht aufgegriffen, sondern Matthias beschreibt stattdessen ein weiteres Problem bei Filmen, dass sie nämlich den Fokus ablenken würden. Das Ablenken störe, aber ansonsten könne man die Filme übergehen.

Ich frage nach, ob es schon störe, dass es überhaupt Grafiken gebe. Das sei egal, meinen Bernd und Valentin. Es sei nicht nervig, dass die Grafiken vorgelesen werden. Meine Frage, ob sie eine Version ohne Bilder vorziehen würden, verneinen alle drei. Das sei schon wieder zu spezifisch, meint Bernd. Valentin nehme grundsätzlich immer die normale Version, wenn er die Wahl habe. "So normal wie möglich", so beschreibt Bernd, wie er die Internetseiten gerne hätte und ist sich da mit Valentin einig. Ich frage, warum. Matthias antwortet, dass es den Vorteil habe, dass man keine Insellösung hat. Bernd und Valentin stimmen dem zu. Man werde später zum Beispiel im Berufsleben oder auch privat viel mit Sehenden zu tun haben, meint Bernd, was er auch begrüßt. Und man möchte "auch eben mal gerne mitreden können" und deswegen nutze er lieber die normale Internetversion mit Bildern. Valentin betont, dass er es interessant finde, was für Bilder auf der Seite seien. Und wenn die Grafiken vernünftig beschriftet sein würden, sei das ja auch kein Problem. Matthias benutze die Nur-Text-Versionen ebenfalls nur, wenn die normale Seite überhaupt nicht funktioniere.

Von Matthias wird ein noch nicht angesprochenes Problem genannt, dass mit den Screenreadern zu tun habe. Es würden Tabellen nicht richtig dargestellt, d.h. die Spalten würden nicht in richtiger Reihenfolge vorgelesen werden.

Ich spreche PopUps an und frage, ob diese ein Problem darstellen würden. Bei Bernd und Valentin würden die immer geblockt werden. PopUps seien, so die Aussagen, kein zentrales Problem.

Als nächstes möchte ich wissen, ob die Teilnehmer Formulare nutzen könnten. Alle drei bestätigen mir dies. Matthias erwähnt, dass bei den Eingabefeldern direkt daneben stehen sollte, was man eintragen solle, aber das wäre meistens auch der Fall.

Ich frage, ob es oft passiert, dass sie Seiten nicht nutzen können, weil man dafür eine Maus bräuchte. Das wird von allen verneint. "Counterstrike daddeln" (ein Online-Spiel) würde allerdings nicht im Netz gehen, meint Bernd und sorgt damit für Schmunzeln. Das habe aber nicht nur was mit der Maus zu tun, sondern auch mit der grafischen Darstellung des Spiels.

Ich stelle die Idee eines Inhaltsverzeichnisses, das klickbare Stichworte enthielte, vor. Keiner kann dem etwas abgewinnen, Matthias erwähnt, dass der Screenreader bereits eine Art Sitemap bereithalte.

Ich spreche die Tabulatortaste an, aber keiner nutze diese zum Navigieren. Matthias meint, mit den Pfeiltasten gehe das einfacher, was Valentin bestätigt.

Als nächstes gehe ich auf Tastaturkurzbefehle ein, welche von den Websites festgelegt werden würden. Hier stellt sich heraus, dass es ungünstig sei, wenn Tastenkombinationen belegt werden würden, welche Blinde für die Bedienung nutzen müssten. Hilfreich scheint die keiner zu finden.

Nicht ausgezeichnete Überschriften nenne ich als weiteren Punkt, aber diese scheinen kein Problem darzustellen. Nervig hingegen sei, wenn der ganze Text als Überschrift deklariert sei, meint Matthias.

Das falsche Aussprechen von englischen Begriffen oder Abkürzungen passiere, aber scheint kein großes Problem darzustellen. Als Beispiel nennt Bernd das Wort "Microsoft Publisher", bei welchem die Buchstaben getreu der deutschen Lautschrift ausgesprochen werden würden. Die Schüler sind allerdings der Meinung, das sei ein Problem, das auf Seiten der Screenreader-Hersteller gelöst werden sollte.

Ich wollte zum Abschluss eigentlich nur noch ein paar Fragen zu den Personen stellen, da fällt Valentin ein weiteres Problem ein. Und zwar die grafischen Codes zum Schutz vor automatischen Anmeldungen, bei denen Wörter, die man abtippen muss, in Grafiken stehen würden. ICQ würde das z.B. machen, meint Matthias (Zeile 1554).

Zum Schluss frage ich die Teilnehmer, ob sie das Gefühl hätten, dass sie besonders gut zurecht kommen würden mit dem Internet oder ob das normal sei, dass man als Jugendlicher chattet und dies und das macht. Valentin findet, chatten sei normal. Matthias meint eher, dass könne trotzdem nicht jeder. ICQ würden aber schon die meisten machen, so Bernd und Valentin.

Kurzanalyse der Gruppendiskussionen und der Forschungsmethode

Das Konzept der Selbstläufigkeit erwies sich als höchst geeignet. Die Teilnehmer diskutierten engagiert und beantworteten die meisten meiner Fragen, noch bevor ich sie konkret formulieren musste. Auch wenn es mir als Diskussionsleiter teilweise nicht einfach fiel, hielt ich mich trotz zahlreicher Redepausen von bis zu über zehn Sekunden konsequent zurück bzw. wiederholte die vage gestellten Fragen immer wieder, ohne selbst ein neues Thema oder einen neuen Begriff zu lancieren. Durch das allgemein gehaltene Wiederholen der Ausgangsfragen ( z.B. "Welche Erfahrungen habt ihr noch mit dem Internet gemacht?") und dem Warten auf weitere Redebeiträge, wurden sehr häufig neue Aspekte genannt, die sonst eventuell verloren gegangen wären.

1. Gruppendiskussion in Marburg (Dauer: 45 Minuten)
  Patrick Oliver Simon Interwiever
Redesequenzen 73 55 49 51
Relation komuliert: 78 % 22 %
Redeanteil in Zeichen 25.589 10.165 4.035 k.A.
Zeichen pro Redesequenz 337 185 82 k.A.

Abb. 09: Redeanteile bei der 1. Gruppendiskussion in Marburg. Patrick hat mit Abstand den größten Redeanteil: 24.589 Zeichen fallen auf ihn. Auch bei den Redesequenzen führt Patrick die Liste an. Er äußerte sich bei der Gruppendiskussion 73 Mal.

2. Gruppendiskussion in Marburg (Dauer: 24 Minuten)
  Daniel Jonas kann nicht Interwiever
Redesequenzen 32 24 - 25
Relation komuliert: 69 % 31 %
Redeanteil in Zeichen 14.380 5.686 - k.A.k.A.
Zeichen pro Redesequenz 449 237 - k.A.k.A.

Abb. 10: Redeanteile bei der 2. Gruppendiskussion in Marburg. Daniel redete pro Sequenz durchschnittlich fast doppelt so viel wie Jonas. Die Diskussion musste vom Interviewer häufig belebt werden, was den - verglichen mit den anderen Diskussionen - relativ hohen Anteil der Redesequenzen (31 %) angeht.

2. Gruppendiskussion in Marburg (Dauer: 24 Minuten)
  Valentin Matthias Bernd Interwiever
Redesequenzen 183 120 168 96
Relation komuliert: 83 % 17 %
Redeanteil in Zeichen 5.514 6.887 14.675 k.A.k.A.
Zeichen pro Redesequenz 30 57 87 k.A.k.A.

Abb. 11: Redeanteile bei der 3. Gruppendiskussion in Marburg. Valentin kam am häufigsten zu Wort (183 Mal), hielt sich allerdings mit 30 Zeichen pro Sequenz sehr kurz. Den größten Redeanteil, insgesamt 14.675 Zeichen, hat Bernd.

Besonders bei der dritten Diskussion, bei welcher sich alle drei Schüler gut zu kennen schienen, fanden sehr häufig Sprecherwechsel statt. Dies zeigen die obigen Tabellen. Lediglich 30 bis 87 Zeichen pro Redesequenz redeten die Teilnehmer durchschnittlich bei der dritten Gruppendiskussion. Bei der ersten Gruppendiskussion wechselten sich die Teilnehmer weniger ab, dafür redeten sie aber länger. Besonders Patrick hatte lange Textpassagen (durchschnittlich 337 Zeichen pro Sequenz). Bei der zweiten Gruppendiskussion hatte Daniel mit insgesamt 14.380 Zeichen den größeren Redeanteil als Jonas und bei der dritten Diskussion war es mit Abstand Bernd (14.675 Zeichen). Valentin sagte zwar bei der dritten Diskussion häufiger etwas, hielt sich aber wesentlich kürzer. Bei der ersten und der dritten Diskussion fanden lebhafte Austausche statt, weswegen ich auch im Nachhinein die Zahl von drei Leuten für richtig halte. Dass zwei Schüler für eine Diskussion zu wenig sind, stellte ich bei der zweiten Gruppendiskussion fest. Leider kam einer der drei angekündigten Schüler nicht.

Trotz der unterschiedlichen Konstellationen ähneln sich die Aussagen der Schüler aller drei Gruppendiskussionen sehr. Alle acht befragten Schüler sind sehr interneterfahren. Dies äußerte sich dadurch, dass bei den Diskussionen nach den jeweils ersten fünf bis zehn Minuten fast alle Internetnutzungsmöglichkeiten, die ich im Hinterkopf hatte, von den Schülern angesprochen wurden. Nicht nur das: Es wurden sogar Bedürfnisbefriedigungen, mit denen ich nicht gerechnet hatte, angesprochen, wie Schnittstellen zu Mobiltelefonen, Internettelefonie und Internet Relay Chats (IRC). Das Interessante ist vor allem, dass die Schüler von alleine keine zentrale Schwierigkeit, die die Bedürfnisbefriedigung erschweren würde. genannt haben. Auch auf meine Nachfragen hin betonten die Schüler ausdrücklich, dass es kaum ein Problem im Internet gibt, welches als Nutzer nicht irgendwie zu lösen oder zu umgehen ist. Nicht zu umgehende Barrieren wie Flash und nicht beschriftete Grafiken wurden zwar angesprochen, aber standen aus Sicht der Diskussionsteilnehmer, so meine Beobachtung, keineswegs im Vordergrund. Vielmehr wurde immer wieder darauf eingegangen, welche Möglichkeiten das Internet bietet.

Auf weitere Ergebnisse der Diskussionen gehe ich im Rahmen der folgenden Gesamtanalyse ein.